Mittwoch, 2. Dezember 2009

Keine Zeit für Probleme

A: Guten Tag, was fehlt Ihnen denn?

B: Was mir fehlt? Ne Zeitmaschine. Oder Zeit. Oder ein Pausenknopf.

A: Sie scheinen sehr zeitfixiert zu sein. Warum das?

B: Weil ich keine Zeit habe und das gerne rückgängig machen würde oder einfach mal kurz anhalten. Durchatmen. Pause machen.

A: Warum denken Sie das? Warum haben Sie keine Zeit?

B: Weil ich keine Zeit habe. Es gibt zu viele Dinge, die gemacht werden wollen, und zu wenig Zeit, um diese ordentlich oder überhaupt zu erledigen. Ich habe keine Zeit. Ich brauche aber Zeit.

A: Was passiert sonst?

B: Sonst platze ich. Oder implodiere. Oder ich fahre mich einfach im Morast des Keine-Zeit-und-zu-viel-Stress-Habens fest. Wahrscheinlich das. Denn man schafft nichts, wenn man unter Zeitdruck steht. Das ist immer so. Man muss etwas machen und weiß, dass die Zeit knapp ist - und dann macht man lieber was anderes. Aufräumen, umräumen, abwaschen, Staubsaugen, Filme gucken, bloggen.

A: Aber wenn Sie wissen, dass Sie keine Zeit haben, warum machen Sie dann etwas anderes und nicht das, was gemacht werden muss?

B: Weil ich an der Aufschieberitis leide.

A: Prokrastination?

B: Genau. Ich schiebe auf. Es ist eine Sucht. Ich kann nicht anders. Mein Gehirn schafft es einfach nicht, Aufgaben in einem angemessenen Zeitrahmen zu erledigen. Vielleicht stehe ich ja auf Stress und Zeitdruck und die allgemeine Panikzone.

A: Erläutern Sie das, bitte.

B: Die Panikzone? Schöner Ort, da bin ich schon Stammgast. Ich hab mir da schon einen Parkplatz gemietet. Ich bin da immer, wenn ich Probleme habe. Zeitprobleme, Motivationsprobleme, andere Probleme. Probleme halt. Die sind ja nie schön. Wenn man Probleme hat, dann ist das niemals schön. Es ist schrecklich. Schrecklicher ist nur das Wissen, dass man Probleme hat und nichts dagegen tun kann. Ich weiß sehr wohl, dass ich sehr viele Dinge erledigen müsste. Ich weiß auch, dass diese Dinge eigentlich nicht sonderlich schwer zu erledigen sind. Ich weiß, dass ich diese Dinge in einer bestimmten Zeit erledigen muss. Ich weiß, dass das wichtig ist. Aber ich habe keinen Antrieb. Keine Lust. Keine Motivation. Ich weiß, dass das nicht gut ist und dass ich das alles nicht länger aufschieben darf und dass das alles erledigt werden muss. Ich weiß, dass ich durch diese Antriebslosigkeit noch größere Probleme bekomme und am Ende vollkommen im Stress untergehen werde. Ich weiß das. Was ich allerdings nicht weiß, ist, warum ich das alles überhaupt aufschiebe. Warum ich unmotiviert bin. Können Sie mir das sagen?

A: Da sind Sie bei mir leider an der falschen Adresse.

B: Aber ich dachte...

A: Entschuldigen Sie mich, ich muss noch mein Bücherregal katalogisieren und meine DVD-Sammlung neu sortieren. Danach warten meine Bleistifte darauf, angespitzt zu werden. Ich habe wirklich keine Zeit für Ihre Probleme. Das sollten Sie auch nicht haben.

Freitag, 30. Oktober 2009

Abenteuer Straßenverkehr

Episode 1: Warum Männer nur meckern können

Situation: Frau parkt auf einer vielbefahrenen Straße, wo selten mal Löcher dafür sind, aus und wird erstmal von Mann deswegen runtergemacht.
Machen wirs konkret: ich parkte direkt vorm Rossmann in der Holtenauer Straße Ecke Elendsredder. So. Steige in mein Auto, schalte den Motor ein, lege den Rückwärtsgang ein und verdrehe mich, um nach hinten zu blicken. Warte ab, bis die 4-5 Autos an mir vorbei sind. Dann: eine Lücke, endlich darf ich mal aus der Parklücke raus.
Ich sage dazu: ich kann ausparken, ich mag es Auto zu fahren und beherrsche die Lehre davon und deren Praxis seit fünf Jahren - unfallfrei. Ich fahre immer vorrausschauend.
Das, was dann kam, hab ich jedoch tatsächlich übersehen.
Ich parke also aus, niemand auf der Straße, kaum will ich vorwärts fahren, indem ich langsam an die rote Ampel rolle, sehe ich ein Auto im Seitenspiegel, das mich links überholt und sich tatsächlich zwischen mich und das an der Ampel stehende Auto quetschen will. Ich schüttle energisch meine Hand - ich zeige keinen Finger oder sonst etwas, das darf man ja nicht, mit der Hand winken ist allerdings noch erlaubt, wenn ich mich recht entsinne.

Bevor ich also mein Recht durchsetze, anhalte und den blöden VW/Audi/BMW-Fahrer (also das Auto war gelb-orange-bronze-metallic) vorlasse, setzt dieser zurück und lässt die Scheibe seines Seitenfensters herunter - und motzt mich erstmal an. "Ja, junge Frau, das nächste Mal gucken Sie mal bitte auch in den Rückspiegel, bla bla raber sülz motz."

Okay. Eine Sekunde leichter Wutschock: Wie bitte??
Als ich ausgeparkt habe, war meilenweit KEIN Auto zu sehen, selbst aus den Seitenstraßen kam NICHTS! Nur weil Herr vielleicht ein wenig zu schnell die Holtenauer entlang gebrettert kam und ich ihn dann wohl durch meinen Ausparkvorgang ausgebremst habe, ja, oh Gott, Skandal. Da zählt es auch nicht, dass die Ampel sowieso rot war und er eh hätte langsamer werden können.

Das ist das Problem bei den männlichen Autofahrern.

Frauen würden sehen: Aha, da parkt jemand aus (gleichzeitig würden sie sehen, dass die Ampel rot ist und sowieso vom Gas gehen - oh und dass an der Ecke wieder der Obststand steht und dass der Himmel blau ist und so weiter - was Frauen eben alles beim Autofahren bemerken), ich werde langsamer und lasse denjenigen ausparken. So.

Männer hingegen reagieren so: Ey, verdammt, da parkt jemand auf MEINER Spur aus, wie kann er/sie es wagen, den/die muss ich gleich mal vollmeckern und darauf hinweisen, dass ich im Recht war.
Männer fahren aggressiv und legen ganz viel Wert darauf, aggressiv zu fahren und zu sein. Wenn man also in die Quere eines Mannes kommt und sich nicht manns-gerecht verhält (da gäbe es zu viele Beispiele, meist zählt aber allein der Grund, dass man sich mit weiblichen Geschlechtsorganen hinters Steuer gesetzt hat), dann gibts auf die Mütze. Und nicht einfach "brüll-das-Lenkrad-an-sei-cholerisch", nein!
Mann bremst den Widersacher aus, fährt gegebenenfalls sogar extra rückwärts, kurbelt das Fenster runter und macht Frau zur Sau. Aber richtig. Ohne Punkt und Komma oder die Chance, sich in irgendeiner Weise rechtfertigen zu können. Bei solchen Konfrontationen hat der Angebrüllte sowieso die Arschkarte gezogen.

Da frage ich mich, warum man soviel Energie für so eine banale Standpauke verwendet.
Zum Mitschreiben: es ist nichts passiert. Ich sehe mich nicht in irgendeiner Schuld, irgendetwas verbrochen zu haben. Manchmal muss man eben kleinere Autolücken nutzen, um überhaupt mal vom Fleck zu kommen - das ist so in der größeren Stadt. Warum also macht sich dieser Mann die Mühe, mich auf meinen angeblichen Fehler hinzuweisen? Warum sind manche Menschen so? Was bringt ihm das, mich erstmal ne Minute anzumotzen, während vor uns die Ampel auf Grün springt und wir den ganzen Verkehr aufhalten?

WAS SOLL DAS?

Können die dann nachts besser schlafen?
Machen sie heimlich Listen zum Abhaken/Striche-machen mit Überschriften wie "Frauen am Steuer beschimpft", "Idioten von der Straße gepustet" oder "Mich im Straßenverkehr durchgesetzt"? Ist das irgendeine neue Art von Sport oder Macht- oder Geschlechterkampf?

Ich bin ein konfliktscheuender Mensch. Ich bin Pazifist. Ich verstehe es einfach nicht, warum sich Menschen anbrüllen, streiten, schlagen, anders unterdrücken und dominieren wollen.

Natürlich rege ich mich auch im Straßenverkehr auf, ja, ich fluche sogar am Steuer, schüttle nicht zu selten meine Hände und mache meiner Wut anders Luft. ABER ich würde niemals die direkte Konfrontation wählen, denn das bringt mir rein gar nichts, wenn ich den alten Mann vor mir zur Schnecke mache, nur weil er in der Fünfzigerzone dreißig fährt. Ich darf meckern, im sicheren Innenraum meines Autos, wo die Worte an Fenstern und Windschutzscheibe abprallen, das macht die Wut erträglicher, schadet aber niemand anderem. (Nachher bin ich noch Schuld, wenn der alte Hütchenfahrer vor lauter Schreck den Löffel abgibt!)

Warum gibt es also Menschen, die andere in ihr Elend mit hineinziehen müssen?

Können die sich keine andere Art der Aggressionsbewältigung suchen? Müssen die irgendetwas kompensieren - wie das Phänomen der Sportwagen und ihrer Besitzer, ganz klischeehaft? Oder wurden sie als Kinder nur gemobbt und müssen ihren angestauten Ärger portionsweise an andere Leute weitergeben?

Ich weiß es nicht.
Eines weiß ich allerdings: es bringt absolut nichts, sich mit den anderen Verkehrsteilnehmern anzulegen. Nur schlechte Laune - und das führt zu wütendem Fahren und zu neuen Konfrontationen (weil plötzlich überall nur noch Bekloppte auf den Straßen fahren...) - ein Teufelskreis.
Man kommt schneller und sicherer und gelassener ans Ziel, wenn man auf andere achtet. Wenn man vorrausschauend fährt und ein Stück weit Verständnis für die Idioten des Straßenverkehrs hat. Offene Konfrontation bringt da überhaupt nichts.

Also, liebe Männer (und genauer gesagt werter VW/Audi/BMW-Fahrer): beim nächsten Mal, wenn jemand einen Fehler macht, egal welcher Art (sei es weiblich Auto zu fahren oder es zu wagen, vor eure Motorhaube zu geraten), brüllt nicht gleich fremde Menschen an, verschwendet kein Benzin beim Rückwärtsfahren und Fensterherunterlassen, haltet den Verkehr nicht auf. Brüllt meinetwegen euer Lenkrad an, haut mit der Faust aufs Armaturenbrett, bis das Navi scheppert, lasst eure Wut über uns "Verkehrspiraten" irgendwie anders raus.
Aber geht nicht gleich auf die Barrikaden. Das bringt nichts. Cholerische Menschen leben nicht sehr lange, das ist statistisch bewiesen. Lasst auch mal locker.
Sofern wir nicht an eurem Kotflügel kleben, ist das alles absolut kein Drama.

Und da frage ich mich doch, warum es Drama Queen heißt...

Donnerstag, 10. September 2009

Der steinige Weg zum Bachelordasein - Teil 3

Letzter Tag. Kleine, nachträgliche Aktualisierung des anstrengenden Prozesses, den es bei einer Umschreibung zu meistern gilt.

Ich fühlte mich verarscht.

Mittwoch, 9.9.2009, 8:15.

Extra pünktlich bin ich zum Hochhaus geeilt, alle meine Zettel in der Hand, vorbereitet auf alles. Schlimmer konnte es ja kaum werden. Ich bahnte mir den Weg durch die Drehtüren, trat ins Foyer des Hochhauses - und erstarrte.

So viel Platz. Kaum eine Menschenseele da. Hatten sich am Montag noch die Erstsemester in ihren 3D-Warteschlangen gestapelt, bevölkerten an diesem Morgen genau drei Menschen den Raum vor den Schaltern des Studierendensekretariats.

Im Ernst jetzt?

Mich durchflutete der panische Gedanke, ob man sich überhaupt noch einschreiben konnte. Aber es kamen noch mehr Leute. Am Ende, als sich die Schalter öffneten, waren es ungefähr 15. Fünfzehn. Nicht Fünfzig oder Fünfhundert. Fünfzehn. Auch nicht fünf. Statt der am Montag geöffneten 5 Schalter, sparte man Personal und Platz und Raum und öffnete ganze 2 Schalter. Vor denen gab es eine Schlange, die sich nach der blauen Wartelinie dann auf die beiden Schalter verteilte.

15 Minuten später kam ich an die Reihe. Ich schob meine ganze Zettelwirtschaft durch den Schlitz, die Frau dahinter nahm diese wortlos entgegen, sortierte sie etwas um, heftete alles zusammen und sagte nach geschätzten 30 Sekunden: "Das können Sie dann in zwei Wochen abholen." Ich war wieder einmal etwas perplex von der Wortgewandtheit der Damen hinter der Scheibe (fragte auch nicht, was sie mit dem ominösen "das" meinte, denn ja, es sprach ja für sich - auch wenn man sich trotzdem besser hätte ausdrücken können). Ich musste einfach abermals fragen: "Das war's schon?" "Ja, das war's schon." Na dann.

Um 8:52 saß ich wieder in meinem Auto. Perplex darüber, dass es nach all dem Stress dann doch so einfach ablief. Ganz im Ernst.

Mein Bachelor-Marathon macht also eine zweiwöchige Pause. Das Abenteuer geht weiter. Ich bin gespannt.

Dienstag, 8. September 2009

Der steinige Weg zum Bachelordasein - Teil 2

Tag 2.

Es gibt doch noch Hoffnung.

Ich habe den Zettel, das fehlende Formular. Mitsamt Stempel und Unterschrift. Damit kann ich mich nun morgen um 8:30 vor den Schalter des Studierendensekretariats stellen und der netten Dame hinter dem Panzerglas alle Zettel in ihren Schlitz stopfen. (Und das klang jetzt etwas zu doppeldeutig... jedenfalls) Ich habe wieder die Oberhand. Ich habe alle möglichen Formulare. Ausgefüllt, gestempelt, fertig. Alles zusammen müsste mich dem Bachelor doch endlich näher bringen.

Auch wenn die Bedenken schon immer größer werden. Das war doch ein Omen, dass das alles nicht sofort klappen wollte. Der Bachelor ist böse. Das habe ich schon vorher geahnt. Und wenn mich selbst Dozenten bemitleiden, weil ich vom guten, alten, unabhängigen Magister zum blöden, bürokratisch-bösen Bachelor werde. Denn der Bachelor ist "Konservenwissen, aus sehr kleinen Konserven". Ja, der Bachelor ist blöd. Es gibt viel zu tun, alles wird nur halb gelernt werden können, hängen bleiben wird wohl auch nix. Aber es geht ja leider nicht anders. "Mein Beileid", meinte mein Dozent da nur. Ja, vielen Dank.

Aber es wird. Erstmal muss ich ein waschechter Bachelor werden, dann kann ich dagegen auf die Barrikaden gehen.

Bis dahin. Ein Tag fehlt mir noch. Das in die Schlange-stellen steht mir abermals bevor. Danach sollte es aber endlich vorbei sein. Zumindest auf dem bürokratischen Wege.

Montag, 7. September 2009

Der steinige Weg zum Bachelordasein - Teil 1

Der gute, alte Bachelor. Ja, was ist er doch was Feines.
Okay, Sarkasmus aus. Im Ernst: der Bachelor stinkt mir jetzt schon - und dabei bin ich ganz offiziell noch gar keiner. Ich möchte tatsächlich - trotz aller Vorwarnungen und Hintergrundaufschreie - einer werden. Manchmal geht es eben nicht anders.
Wenn der Weg dahin aber ständig irgendwie verbaut ist und Leute einem immer wieder Steine in den Weg werfen und der ganze Spaß zu einer Art Extrem-Formularausfülling mit Marathonlauf von A nach B wird, na dann danke und auf Wiedersehen.

Vorweg: Ich bin (war, werde es bald sein) einer der letzten Rockstars, wie es bei StudiVZ so schön heißt. Magisterstudent, nämlich. Die aussterbende Rasse. Einer der auslaufenden Studiengänge. Von uns gibt (gab) es nur noch sehr wenige... und eigentlich wäre ich gerne einer geblieben, hätte ich nicht mein Hauptfach wechseln wollen.

Ach, die Freiheiten, die man als Magister hatte... obwohl ich das ja noch nicht richtig beurteilen kann, vielleicht kann ich als Bachelor ein genauso fauler Student sein, wer weiß denn das schon? Vielleicht reden die, die sich ständig über zu viel Arbeit und zu viele Prüfungen aufregen, nur Blödsinn. Vielleicht war es meine eigene Neugier, die mich dazu gebracht hat, das alles einmal am eigenen Leib erleben zu wollen. Live am Ort des Geschehens, sozusagen, mittendrin, statt nur dabei. Vor Ort berichten, möchte ich.

Und was es alles zu berichten gibt. Das fängt ja schon beim Umschreiben an.

Abermals vorweg: ich habe einen langen Weg hinter mir, war in diversen Beratungen, habe mich durch unzählige FAQs und Handzettel gelesen, ja, ich weiß, worauf ich mich einlasse. Ja, ich weiß, ungefähr, wie das so läuft und was ich dafür machen muss. Man hat mir ja einiges gesagt. Aber wohl nicht genug. Denn hier liegt das Problem, der dickste Stein, auf dem Weg zum Bachelor:

Heute, am Montag, den 7. September 2009, stand ich überpünktlich um 8:25 in der langen Schlange der Erstsemester und Umschreiber in unserem Verwaltungshochhaus, geduldig darauf wartend, dass die Damen vom Studierendensekretariat ihre Schalter öffnen und uns mit ihrer Kompetenz beglücken würden. Und wie sie das machen würden...
Kurz nach 8 Uhr 30 ratterten die Rollläden hinten den kugelsicheren Scheiben mit dem praktisch nicht existenten Sprech-Schlitz nach oben (mal im Ernst: haben die Frauen Angst, man könnte ihnen in irgendeiner Weise zu nah kommen?! Wie soll man sich denn durch ne dicke Glasscheibe "unterhalten"? Da ist es schon: die Überheblichkeit der Damen aus dem blauen Turm, die sicher hinter ihrem Panzerglas auf ihren Drehstühlen sitzen und uns voller Motivation entgegen blicken...). Aber weiter im Text: Die Massen formierten sich vor den fünf geöffneten Schaltern, es geht langsam voran. Vor mir genau zwei Menschen. Wow, klingt das gut, ich bin hier bald durch und kann den Restvormittag genießen.

DAS hätte mich schon stutzig machen sollen. Sofort drankommen und fertig ist? Ja, wie geil wäre das denn. Aber zu früh gefreut. Die zwei Hanseln vor mir, die sich erfolgreich an der Christian-Albrechts-Universität eingeschrieben haben und nun glücklich ihres Lebens gehen, sind fertig und ich komme an die Reihe. Die Frau hinter der Glasscheibe schaut auf, bereits nach zwei abgefertigten Nummern (denn mehr sind wir doch für die auch nicht) sieht sie bereits vollkommen demotiviert aus (vielleicht hat sie den falschen Beruf?). Ich schiebe ihr meine Unterlagen zu, sie sieht "Oh, Sie sind ja schon hier eingeschrieben!" - clever, unbekannte Frau, clever, ich denke das sagen das dicke Studienbuch und die drei Seiten Leporello aus. Ich sehe so etwas wie Freude in ihrem emotionslosen, starren Bürokratengesicht.

Sie reicht mir ein grünes Formular.

"Füllen Sie das aus und gehen Sie dann zu Schalter 2." Das waren ihre Worte, die kaum zu mir auf die andere Seite der Scheibe drangen. Ich war etwas baff und meinte noch "Das war's schon?" Ja, das war's schon. Haha.

Ich stand also in der Schlange, um ein Formular zu erhalten, dass ich ausgefüllt an einem anderen Schalter abgeben sollte. In einer neuen Schlange. Immerhin musste ich keine Nummer ziehen. In der Hoffnung, nun aber bald damit durch zu sein, fülle ich den grünen Zettel aus. Neben mir bewegen sich die einzelnen Schlangen im Schneckentempo voran. Ich entdecke noch einige Leute, die von den Schaltern zurückgewiesen werden, um grüne Zettel auszufüllen. Na Mensch, immerhin bin ich nicht allein.

"Antrag auf Umschreibung" steht oben drauf. Antrag... wieso klingt das in meinen Ohren so, als könnte jener Antrag jederzeit abgelehnt werden? Dabei habe ich doch meinen Zulassungsbescheid in der Tasche, ich darf Deutsch studieren - warum lassen die mich nicht einfach? Na gut, motiviert fülle ich den Wisch aus. Einschreibnummer, Name, Vorname, bisherige Studienfächer - da fällt mir auf, das ich so einen Zettel (nur in weiß) schon einmal in der Hand hielt, damals wollte ich mein Hauptfach mit einem meiner Nebenfächer wechseln - aber auch das klappte nicht. Klopf auf Holz, vielleicht klappt es ja mit dem grünen Zettel. Grün soll doch die Farbe der Hoffnung sein, oder nicht? Hoffen wir es.
Dann kommt der entscheidende Satz: "Ich beantrage ab dem Sommer/Winter-Semester 20__/__ die UMSCHREIBUNG" (Ja, die UMSCHREIBUNG, in GROßBUCHSTABEN! Man könnte es ja übersehen...). Dann kommt das große "Wende den Zettel"-Spiel. Denn ich muss nicht nur den gewünschten Studiengang eintragen, sondern auch die passende Nummer.

Alles ist eine Nummer.

Und die Nummern stehen alle auf der Rückseite. Die Fächer sind dreistellig. Deutsch wäre die 067, die angestrebte Abschlussprüfung wäre die 66 (Bachelor 2-Fächer), in der Fakultät 05 (Philosophische Fakultät). Ich bin übrigens die 855828. Freut mich.

Am Ende Datum und Unterschrift nicht vergessen und ab geht's in die nächste Schlange. Auf zu Schalter 2. Dort stehe ich mir fast eine geschlagene Stunde die Beine in den Bauch, es ist mittleweile 9:20. Vor mir werden die Menschen einfach nicht weniger. Zwischenzeitlich kommen immer wieder Leute mit Handzetteln vorbei und erklären mir, was es alles für Erstsemesterveranstaltungen und -beratungen gibt, Campustour inklusive. Leute, ich bin seit zweieinhalb Jahren an der Uni - aber wissen muss das ja auch keiner. Dort in der Schlange, bin ich einer von ihnen. Trotz des grünen Zettels in meiner Hand.

Irgendwann trete ich voller Hoffnung an die Glasscheibe. Die Frau auf der anderen Seite sieht mehr als genervt aus, da hilft ihr auch ihr grotesk-geschminktes Gesicht aus Stein nichts. Man sieht es den Damen vom blauen Turm an. Sie hassen ihren Job. Na, Prost Mahlzeit. Wieder schiebe ich sämtliche Unterlagen durch den schmalen Spalt unter der Scheibe hindurch. Ich hatte an alles gedacht, was man mir gesagt hatte. Auf dem Zulassungsbescheid stands ja auch nochmal:
Sollte ich bereits an der CAU Kiel eingeschrieben sein, sollte ich mein Studienbuch, den vollständigen Leporello und mein Reifezeugnis im Original vorlegen. Neben dem Zulassungsbescheid natürlich. Hatte ich alles dabei. Die Dame, die mich irgendwie an eine groteske Comicfigur oder einen Alice-im-Wunderland-Charakter erinnert, schaut sich demotiviert meine Sachen an und sagt dann die vernichtenden Worte: "Und wo ist das Formular zur Anrechnung von Semestern?" Dabei zeigt sie mit einem spitzen Fingernagel auf das grüne Formular, wo in kleiner Schrift auf der rechten Seite steht:

"Unter Vorlage von:"

1. bis 4. hatte ich alles dabei. Punkt 5 brachte mich in Straucheln. "Entscheidung über die Anerkennung von Semestern". Das Problem war, dass ich Kunstgeschichte normal weitermachen wollte. Allerdings geht das ja bürokratisch gesehen ganz, ganz schwer. Denn Magister und Bachelor sind wie Salz und Zucker, geht gar nicht, sowas von unterschiedlich. Im Grunde sind wir die Marsmenschen und die Bachelor die Erdenbewohner. Gut, dass ich das noch klären musste, wie genau meine ganzen Scheine im Bachelorsystem funktionieren, wusste ich. Allerdings meinte man in einer meiner vielen Beratungen, dass man das auch nach der Einschreibung noch nachreichen könnte. Macht so gesehen aber auch keinen Sinn...

Mir fehlte also ein verdammter Zettel.

Ich fragte nur noch, ob ich das nachreichen könnte. Die Vogelscheuchenfrau sagte abwertend: "Nein, natürlich nicht." Ich fragte, wo ich das denn so schnell noch herbekommen sollte. Sie: "Ja, beim entsprechenden Institut." JA ACH?! Mitten in den Semesterferien soll ich da jemanden finden, der mir ein verdammtes Formular ausfüllt? Die verbitterte Dame meinte dann noch: "Das hätte man ja vorher wissen können."

Jetzt weiß ich, warum die hinter einer Panzerglasscheibe sitzen. In eben dem Moment, nach stundenlangem Anstehen, angespannt und ungeduldig, irritiert und in den Grundfesten erschüttert, hätte ich ihr gerne ihre überheblich blickenden Augen ausgekratzt. Aber durch den winzigen Spalt in der Scheibe hätte das irgendwie lächerlich ausgesehen...
Sie schenkte mir noch ein abgrundtief böses Lächeln (im Ernst, diese Frau hat mich innerlich ausgelacht!). Höflich wie ich nun einmal leider bin, gab ich ein kurz angebundenes Danke zurück, raffte meine Zettel zusammen und polterte davon. An den Schlangen wartender Erstsemester vorbei zum Vestibül. Falls sich morgen jemand über einen Riss in der Glastür beschwert, vielleicht war ich es, als ich diese wutentbrannt aus dem Weg geschleudert hatte.

Es war auf jeden Fall laut.

Ich stand ein wenig neben mir. Draußen setzte auch gerade das typische Kiel-Wetter ein. Der graue Himmel öffnete seine Schleusen und der nie ganz abebbende Sturm verteilte den Nieselregen in alle Richtungen. Und ich stiefelte, um 9:30 (ja, nach langem Warten war ich tatsächlich sehr schnell abgefertigt worden...), über die Straße, die Olshausenstraße zum Westring entlang, bei der Alten Mensa links um die Ecke bis zum Kunsthistorischen Institut. In meinem Kopf herrschte Leere. Bis die Panikattacke einsetzte...

Dabei weiß ich, dass die Sekretärin frühstens um 10 Uhr da sein wird und ob sie mir dann überhaupt helfen könnte, wäre abzuwarten. Ich weiß auch, dass sich die meisten Dozenten derzeit auf Exkursionen befinden. Die Sterne stehen also absolut umwerfend für mich und meine Umschreibung.

Ich habe eine Deadline. Am Mittwoch, um 12 Uhr ist sie vorbei. Dann muss ich wieder am Schalter bei den Damen vom blauen Turm gewesen sein, dann muss ich endlich Bachelor sein. Wenn nicht, werde ich es nie sein. Ich habe also nicht einmal mehr achtundvierzig Stunden Zeit, dieses Formular irgendwo im Netz zu finden, damit in die Sprechstunde des Studienfachberaters für Kunstgeschichte zu gehen, mir meine Leistungen irgendwie anrechnen zu lassen und hoffen, damit am Mittwoch vor 12 Uhr an den Schalter treten zu können.

Es wird knapp. Verdammt knapp.

Und die ganze Zeit möchte ich mir selbst in den Hintern treten, dass ich nicht selbst an dieses blöde Formular gedacht habe. ABER NIEMAND HAT ES MIR GESAGT! Woher soll ich denn so ein Wissen haben, wenn es nie in meinem Kopf war? Und nirgendwo stand? Ich bin Yoda?! Warum weiß eigentlich nie jemand Bescheid? Was den Bachelor angeht, da kennen sich mittlerweile alle aus. Prima. Aber dass es auch noch andere Leute gibt, wie uns Magister, das ist denen doch vollkommen egal. Das war schon so, als der Bachelor eingeführt wurde. Die alten Studiengänge hatten immer das Nachsehen. Kurse wurden nur noch für Bachelor angeboten, ("Da kommste net rein", so als Magister) alle anderen waren zu gut Deutsch gesagt am Arsch. Und jetzt, wo ich sozusagen zum anderen Ufer überlaufen möchte (FREIWILLIG verdammte Scheiße, man sollte mir ne Medaille geben!), stellt es sich als sehr, sehr schwierig dar.

Der Weg ist steinig.

Aber er muss gegangen werden. So kurz vor dem Ziel gebe ich nicht auf. Ich werde weiter von A nach B laufen, mir Stempel und Unterschriften holen, bis ich der arroganten Frau hinter der Glasscheibe alle Zettel geben kann und sie dann hoffentlich (nachdem sie mich erfolgreich umgeschrieben hat) irgendwie daran verreckt. Das wäre gerecht. Ich kriege ja auch kein Kilometergeld für die ganzen "Botengänge".

Ich habe nur eine Chance. Am Dienstag, um 16 Uhr, in die Sprechstunde, bewaffnet mit Studienbuch, Einstufungsbescheinung und Bambiblick, um dann am Mittwoch, am besten schon um 8, vor den Schaltern zu campieren, um das Ganze endlich abzuschließen. Immerhin habe ich einen Plan. Wenn schon kaum noch Hoffnung, dann wenigstens einen Plan.

Mal sehen, wie's ausgeht...

P.S. Marion und ihre Freunde sind doof!

Mittwoch, 1. April 2009

Stralsund – Mörderische Verfolgung - oder doch Verschwörerische Verarsche?

Oh ja, mörderisch. Und verschwörerisch.

Die größte Verschwörung des ZDF-Thrillers (lief am Montag, den 30.3.2009 um 20:15) war wohl die Tatsache, dass der 90-Minuten-Film so gut wie gar nicht in Stralsund spielte. Oh richtig, da waren ein paar Luftaufnahmen von Nicolai- und Marienkirche und natürlich von der Rügenbrücke. Gut, ab und an sind auch mal Autos mit HST-Kennzeichen durchs Bild gefahren. Und okay, sie haben den tatsächlichen Stralsunder Bahnhof gezeigt. Das wars dann auch schon mit der Realität. Nicht sehr viele Wahrheiten, wenn man bedenkt, dass das gute Stück "Stralsund – Mörderische Verfolgung" heißt, oder?

Darf man sich als Einheimischer solche Filme etwa nicht angucken? Wahrscheinlich. Möglicherweise haben sich die Filmemacher auch keine Gedanken über Realitätsnähe gemacht. Ach, nennen wir das Ding einfach nach einer beliebigen Stadt irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern, zeigen von dieser ein paar billig gedrehte Luftaufnahmen, schrauben irgendwelchen Autos Stralsunder Kennzeichen ran und das war's dann. Danke, so machen wir's.

Dass sich aber Zuschauer vor dem Fernseher fragen könnten, "Hmm, wo genau in Stralsund sind die da jetzt eigentlich?", ach, das war doch den großen Tieren hinter der Kamera vollkommen egal. Die dachten sich wohl, ach, wer achtet denn bei so einer Story auf die Umgebung? Ja, bevor ich zur Handlung komme, ein paar Beispiele, die belegen sollten, dass "Stralsund – Mörderische Verfolgung" gar nicht in Stralsund spielte.

Beispiel Nummer 1: Blaue Polizeiautos.
Nun gut, seit Januar 2009 wurde die Farbe blau auch in MV eingeführt, allerdings kam dieser Trend nicht gerade schnell nach Stralsund. Nämlich eher gar nicht. VW-Busse der Bundespolizei sind tatsächlich schon blau, alle anderen Streifenwagen der Stralsunder Polizei sind noch immer grün. Das mag eine Kleinigkeit sein, über die man streiten möchte. Aber wenn's um Authentizität geht, dann sollte man auch mal penibel sein, oder?

Beispiel Nummer 2: Rügenbrücke
Ja, gut, schick ist sie ja, gilt ja auch als neues Wahrzeichen der Hansestadt. Warum aber die Polizeibeamten ständig von Rügen Richtung Stralsund auf ihr unterwegs waren, fragt man sich dann doch schon. Hat die Stadt Stralsund kein eigenes Polizeirevier und muss Kollegen von der Insel anfordern? Eher nicht. Oder wohnen tatsächlich alle Polizisten privat auf Rügen, statt in Stralsund, wo der Weg zur Arbeit irgendwie kürzer wäre? Ist ja nicht so, dass man nicht auch in Stralsund schön leben könnte. Aber nee, man muss ja die Brücke zeigen, egal, ob mitdenkende Zuschauer sich fragen, wieso.

Beispiel Nummer 3: Das Nordlicht-Versicherungs-Gebäude
In diesem Gebäude in der Rostocker Chaussee 21 spielte die für die Handlung wichtige Geiselnahme (zur Story später mehr), wie es sehr oft im Film erwähnt wurde und was man auch als weniger aufmerksamer Zuschauer gut erkennen konnte, da jene Adresse idiotensicher über der Eingangstür festgehalten worden war. Gut, Rostocker Chaussee, ist ne gut bekannte Straße in Stralsund. Da dachten sich die Filmemacher dann wohl, oh, die müsste jeder kennen, der irgendwann schon mal in Stralsund war. Und wenn nicht, haben wir da drin das Wort Rostock und Rostock müsste doch nun jeder kennen. Nebenbei werfen wir auch noch mal die Richtenberger Chaussee in den Raum, vielleicht freut sich dann jemand, wenn er seine Straße erkennt. Ja ha. Toll, dass ihr die beiden Straßennamen genommen habt. Super. Kennt man. War vielleicht doch ein großer Fehler, so im Nachhinein.

Denn die Rostocker Chaussee 21 ist in Wirklichkeit die IMO-Waschstraße und kein Geschäftsgebäude, in der sich eine Firma namens Nordlicht befindet. Dazu erwähnt, ist die Rostocker Chaussee ein Teil der B 105, einer Straße, an der es sehr wenig Wohn- und noch weniger Geschäftsgebäude gibt. Eher Tankstellen, Waschanlagen, Baumärkte, Einkaufsmöglichkeiten und andere Industrieelemente. Laut Film handelt es sich bei dieser Adresse allerdings um eine Geschäfts-/Wohngegend. Denn direkt gegenüber soll es balkonierte Wohnblöcke geben, die meiner Meinung nach verdächtig wie Rostocker Wohnblöcke aussahen. Vielleicht hat sich das Filmteam auch einfach vertan: Wie, Rostocker Chaussee, ach so, dann muss das doch in Rostock sein. Ja, genau. So sieht's aus.
Was sich wohl die IMO-Waschstraße denkt? Ob die im Deal mit drinstecken? Wer weiß das schon. Ominös ist das Ganze allemal. Nahezu verschwörerisch.

Beispiel Nummer 4: JVA Stralsund
Gut, die Lage haben die vom Fernsehen fast richtig gehabt. Die Richtung stimmte. So ungefähr. Was sind schon 1,5 km Luftlinie? Der Verhörraum, dessen Fenster zufällig genau zur Rügenbrücke hin gewandt waren und diese in ihrer vollen (wahrscheinlich sogar überdimensionalen) Größe zeigte, scheint mir ein schlechter Scherz gewesen zu sein. Wahrscheinlich wollten die einfach nur wieder das Wahrzeichen der Stadt zeigen. Schon wieder. Man kann ja nie genug davon haben. Ja, doch, kann man. Denn aus der JVA könnte man die Brücke niemals so nah sehen. Und auch nicht aus der uns vorgemogelten Höhe. Das passt schon eher, wenn man sich im viel näher zur Brücke liegenden Werfthochhaus befindet. Was man nicht alles tut, um eine gute Kulisse zu ergattern. Ist ja auch billiger, als an Originalschauplätzen zu drehen. Und die Werftleute freuen sich auch mal. Schön.

Beispiel Nummer 5: Haus Rosa
Haus Rosa ist die Pension, die die sterbende Hauptkommissarin vor sich hin röchelt, bevor die Lichter ausgehen. "Geh zu Rosa". Ja, Mensch, die berühmten letzten Worte. Wie schön klischeehaft. Aber zur umwerfenden Handlung später mehr. Haus Rosa, also. Gut, ich habe nichts gegen fiktive Pensionennamen. Das ist mir wirklich egal. Wäre bei kleineren Häusern auch eher negativ, wenn sie plötzlich in aller Munde wären, oder? Jedenfalls sollte diese Pension laut Fernsehbildern irgendwo auf dem Dänholm liegen. Denkt man sich zumindest, direkt klar war das nicht. Allerdings gings von der alten Rügendammbrücke irgendwo ab und auf beiden Seiten war Wasser, ergo müssten sich die Protagonisten und Antagonisten irgendwo zwischen Stralsund und Rügen befunden haben. Weder in Stralsund noch auf Rügen. Soweit so gut. Dann kommt's zur spektakulären Flucht. Man sieht tatsächlich eine Straße vom Dänholm. Ich muss dazu erwähnen, der Dänholm hat nicht viele Straßen. Okay, das Fluchtfahrzeug biegt auf eben jene Straße und man sieht am Ende ein Polizeiauto, das schön den einzigen Ausweg versperrt, zumindest denkt sich das der Ortskundige. Denn wo sollten die Täter auch hin, wenn sie in der einzigen Straße festsitzen.
Richtig. Nach Rügen. Irgendwo aufs Feld.
Denn von dieser engen, aussichtslosen Straße vom Dänholm biegt das Fahrzeug plötzlich auf einen Weg, der direkt durch ein grünes Feld führt, das sich in endloser Weite verliert. Ja, ne, is klar, oder? Einer von vielen Momenten, in der ich mir als ortskundiger Zuschauer denke, "Wo zum Teufel sind die denn jetzt schon wieder?!"

Ernsthaft, man sollte die armen Zuschauer nicht immer so verarschen. Gut, sehen wir das mal aus der Sicht des Ortsfremden. Dem ist es doch vollkommen egal, wo das spielt. Hauptsache, die Story und die Action stimmt. Ja ha. Schön. Nicht so mit den Einheimischen. Denn die fragen sich, wieso die vom Film das gerade so gemacht haben? Das größte Problem wäre einfach die Tatsache, dass sie es doch besser hätten machen können. Stralsund hat so viele schöne Orte, an denen man hätte drehen können. Die Handlung hätte auch an andere Orte gepasst, die eben viel authentischer gewesen wären. Warum also so ein Puzzle aus bunten Bildern zusammenfriemeln?

Richtig. Weil es ja eigentlich gar nicht um den Ort geht, sondern um die Geschichte. Das macht einen Krimi/Thriller/Film doch aus. Eigentlich schon. Nicht so, wenn dieser Krimi/Thriller/Film sich arrogant mit dem Namen "Stralsund - Mörderische Verschwörung" tituliert. Andernfalls hätte ich gerne über jedwede Unstimmigkeiten hinweg sehen können. Also mehr oder weniger zumindest. Aber wenn man sich schon den Namen der Stadt in den Titel setzt, ernsthaft, wer erwartet denn dann bitte, dass das Ganze kaum was von Stralsund zeigt? Also ich habe mir mehr versprochen. Aber was kann man von ZDFs "Fernsehfilm der Woche" anderes erwarten. Das war schließlich nicht das Erste. Und auch kein Tatort.

Achja, wir haben ja noch gar nicht über die Handlung geredet. Allerdings... ist das wirklich notwendig? Da ich mich die meiste Zeit über die unzähligen Kulissenfehler aufgeregt habe, war es auch dem Plot vorenthalten, mich zu enttäuschen. Denn das tat er. Er war ein unglaubliches Klischee mit unglaublich verworrenden Handlungssträngen und unglaublich seltsam gezeichneten Charakteren.
Fangen wir vorne an. Hauptkommissarin Winkler geht im strömenden Regen aus ihrem Haus (das am Rande erwähnt auch nicht sehr authentisch nach Stralsund aussah), steigt in ihr Auto und kriegt einen Telefonanruf. Niemand sagt was. Sie weiß aber sofort wer es ist. Irgendeine Person, die irgendwo im Regen steht und nass wird. Ja, super.
So, Polizeirevier Stralsund. Lieber nicht nachfragen, wo genau die das gedreht haben. Schnitt auf Polizeikommissarin Nina Petersen. Petersen, ach was ein toller nordischer Name. Wäre man doch nur in Hamburg oder Schleswig-Holstein. In Meck-Pomm nicht ganz so verbreitet. Aber egal, ich will versuchen, nicht ganz so penibel zu sein. Jedenfalls Frau Petersen beim Verhör mit irgendeinem Mann, der angeblich seinen Schwiegervater umgebracht haben soll. Tut nichts zur Sache. Dann Treffen der Winkler und der Petersen. Die ältere Frau Winkler wirkt nachdenklich, sagt der Kollegin, hier, guck dir mal die Akte hier durch. Was ein Aufhänger. Zuschauer, pass auf: merke dir diese Akte! Ja, gut, das ist dann auch sehr schnell vergessen. Schnitt auf andere Sachen. Irgendwie, man weiß nicht wie, gelangt dann die Frau Winkler in das ominöse Bürogebäude in der Rostocker Chaussee 21 (Will sie etwa ihr Auto waschen?). Leeres Foyer, keine Menschenseele zu sehen. Dann Schnitt auf einige auf dem Boden liegende Büromenschen. Gefesselt, geknebelt. Oh, guck mal, da ist die Hauptkommissarin direkt in eine Geiselnahme gestolpert. Toll. Und dann wird sie auch schon von einer Pistole bedroht und ist von nun an Geisel Nummer 1. Ja, schön. So viel dazu. Hätten wir das geklärt.
Dann wirds verworren.
Geiselnehmer ist Wolf Broder. Der will seinen Bruder, Micha Broder, aus dem Gefängnis freipressen. Übrigens: die ominöse Akte handelte von eben jenem Micha Broder. Zufall? Ne. Alles geplant und am Ende doch unsinnig miteinander verstrickt. Also weiter. An sich ja plausibel, freipressen von Häftlingen ist ja nun nichts Neues. Aber immerhin einfach zu verstehen. Wären da nicht die Stränge der undurchsichtigen Vorgeschichte.
Also. Micha Broder sitzt wegen Mordes an einem Versicherungsbeamten der Firma Nordlicht in der JVA Stralsund. Zu dem Mord kam es, weil es irgendwo einen Brand gegeben haben soll, an dem er beschuldigt gewesen sein sollte oder auch nicht, jedenfalls wollte die Versicherung den Schaden nicht bezahlen. So. Aber nein, das mit dem Feuerchen war er nicht, das war seine Freundin Lisa, die eigentlich Mona heißt oder umgekehrt und ihre eigene Vorgeschichte mitbringt. Also Micha ging wegen Lisa/Mona in den Knast. Punkt. Erstmal. Dorthin kam er, weil die Frau Winkler seinen Fall bearbeitete. So. Als der Micha in den Knast geht, gab es ein ganz bedeutungsschangeres Treffen der Frau Winkler und der Lisa/Mona/wie auch immer. Natürlich, wie das so ist in ZDF-Filmen, gibts da eine ganz tolle Affäre der beiden Frauen. Super. Man muss ja jede Zuschauergruppe ansprechen. Diese ganzen Schnipsel Vorgeschichte gibts übrigens nie zu sehen. Das muss sich der Zuschauer in kleinen Portionen alles selber zusammenbauen. Was auf der ganzen Linie scheitert.
Denn: es sind zu viele Informationen!
Diese ganzen Beziehungskisten überfordern den normalen Zuschauer doch nur. Da wäre Mann im Knast und Frau, die alles tun würde, um ihn heraus zu holen. Da wäre Mann im Knast und sein Bruder, der ebenfalls alles tun würde, um ihn heraus zu holen. Also Dreiecksbeziehung; wir holen beiden den Mann aus dem Knast. So. Dann wäre da Frau als Geisel, die Druckmittel zwischen Mann im Knast, der böse auf sie ist, und Frau mit bisexuellen Vorlieben darstellt. Der obligatorische Stockholm-Syndrom-Kuss zwischen Geisel-Frau und Geiselnehmer-Frau darf da natürlich nicht fehlen. Herrgott, musste das denn sein? Die Schauspieler sind doch schon so unglaublich unsympathisch, da muss man doch die alternde Hauptkommissarin nicht auch noch mit der garantiert nur halb so alten Geiselnehmerin rumknutschen lassen. Also mal im Ernst!
Von da an ging es eigentlich nur noch bergab (nicht dass es jemals irgendwo hoch ging). Die Story war so unglaubwürdig wie abgedroschen. Geiselnahme, Freipressung von Häftlingen, Lösegeldforderung ("Ey, hier, isch will 2 Millionen Euro in kleinen Scheinen und zwei identische schwarze Autos, ey!" Ja, ey, zwischendrin dann mal der Schnitt auf den Lösegeldkoffer, der es irgendwie nach Greifswald geschafft hat. Ja, Mensch, Zauberei! Aber das nur am Rande. Interessiert eh niemanden, wo das Geld am Ende denn war. Zumindest war's nicht bei den Tätern...), kleine Spiele mit den Geiseln, unglaubliche Verkettungen in den Vorgeschichten, SEK- und Polizei-Konflikt, unglaublich umwerfende, technische Bereicherungen in Sachen Abhörtechnik (angeblich war es möglich, auf die Mikrofone der Computer im Büro zuzugreifen, um zu hören, was im Raum geschah. Ich kenn mich ja mit Technik nicht so aus, aber selbst ich als Laie sah das Ganze irgendwie nur als überdrehten Schwachsinn an. Denn jene alten PCs sahen nicht gerade danach aus, als hätten sie ein internes Mikrofon. Aber die Technik im Film macht ja alles möglich. Hurra und Heil der Filmindustrie, die uns so gerne so tolle Märchen auftischt, nur damit alles passt. Scheiß auf Realität, wer braucht denn sowas?).

Ja, ich muss gar nicht alles ausführen. Aus dem Strudel der Verwirrung komme ich eh nicht mehr raus. Irgendwann gabs dann den Schusswechsel. Geisel-Frau stirbt, Kollegin guckt betreten zu Boden. Dann fliehen die Geiselnehmer aus dem super umstellten Bürogebäude. Wie? Sie haben sich einen Tunnel gebuddelt. Ja, wie geil ist das denn? Und durch den gelangten sie dann in die unglaublich bekannte Stralsunder Kanalisation. Man beachte den Sarkasmus. Stralsund hat keine Kanalisation, die aussieht wie die Katakomben unter Paris, mit endlosen Gängen und Tunneln, als könnte man darin die gesamte Stadt unterlaufen. Ja, herrliches Szenario. Aber auch so herrlich realitätsnah, mal wieder. Die Flucht war also super spektakulär (achja, denn es gab da auch noch die super tolle Granaten-Bomben-Falle, die die Geiselnehmer aufbauten, um die Polizisten daran zu hindern, ihnen zu folgen. Wow, wie Hollywoodmäßig ist das denn bitte?!), dagegen war die Polizeiarbeit richtig mies und am Ende gabs dann den Ausflug zum Haus Rosa, wo man zufällig die Lisa/Mona und den Micha traf (achja, den Bruder hatten sie auf der Flucht erschossen, ist doch klar, der stand ja im Weg, ne?). Dann die spektakuläre Flucht mit dem Wahnsinnssprung vom Dänholm nach Rügen aufs Feld. Da wurde dann noch die Petersen gefangengenommen und hat die armen Täter durch die Polizeisperre gelotst. Aber am Ende gabs keinen Schusswechsel, sondern zwei Täter mit erhobenen Hände. Ja, tolles Ende.

Das gute am Ende war, dass es endlich vorbei war. Nie habe ich mich so über einen Film aufgeregt. Und dass nur, weil ich, als gebürtige Stralsunderin, mir so viel davon erhofft habe, dass meine Heimatstadt endlich mal ihren eigenen Krimi erhält. Ja ha, Pustekuchen. Wahrscheinlich hatte ich zu hohe Erwartungen, hab mich wohl auf einen Stralsund-Tatort gefreut. Aber den gab's nicht. Nur Enttäuschungen. Obwohl es hier im fernen Kiel dennoch nett war, gefakte HST-Kennzeichen an gefakten Autos zu sehen, oder die winzigen Momente, in denen man die Orte tatsächlich wiedererkennen konnte. Das war nett. Alles andere war auf gut Deutsch gesagt der letzte Dreck. Tschuldigung. Musste raus.

Fazit ist wohl, dass man niemals Filme gucken sollte, die an Orten spielen sollen, die man kennt. Die man sehr gut kennt. Denn Erwartungen bringen Enttäuschungen. Und den Gedanken, dass alle anderen, die Stralsund nicht kennen, den ganzen Mist tatsächlich glauben, der ihnen vom ZDF vorgesetzt wird.

Apropos, auf zdf.de gibt es noch bis zum 6. April den ganzen Film als Videostream. Für alle, die sich auch mal aufregen wollen.

Donnerstag, 26. Februar 2009

YouTube MyAss!

Seriously.

Ja, im Ernst. Was denkt sich YouTube eigentlich dabei, die meisten meiner Videos zu zensieren, nur weil sich dort Sekundenfragmente copyright-geschütztem Audiomaterial befindet?! Warum drehen die gerade jetzt so am Rad? Jahre lang ging das dort allen doch am Arsch vorbei. Momentan ist es wieder ganz übel.

Man stelle sich vor:
Dem Video - 6 Minuten 40 Sekunden lang - (Inhalt ist ja erstmal irrelevant) wird vorgeworfen, einen Audioinhalt von Leo Sayer zu besitzen.
Erstmal. Leo Sayer - das Lied (You make me feel like dancing) ist Asbach uralt (mittlerweile 33 Jahre alt!!), niemand hört das mehr, es ist Schnee von gestern; würde es ein aktuelles Lied sein, okay, verständlich. Aber Leo Sayer??? Da fragt man sich doch: wer ist dieser Leo Sayer und wieso zum Teufel darf man das Lied nicht auf YouTube benutzen? Sentimentaler Wert?
Außerdem: Ja, das Lied kommt im Video vor, allerdings nur für 27 Sekunden (!!!!). Wegen 27 Sekunden "bösen Materials" wurde aber das ganze Video (6:40!!!) stummgeschaltet.

Ist das noch gerecht??

Ich finde es ätzend. Dazu kommt noch; wenn einmal "böses Material" entdeckt wurde, ist man bei YouTube ja sofort auf der schwarzen Liste. Dann werden natürlich auch erstmal die älteren Videos durchforstet, da findet man ja bestimmt auch noch was. Die Schweine. Ernsthaft. Normal ist das nicht mehr. Ich kann mir doch nicht für jedes "böse" Video nen neuen Account anlegen, nur damit die mal Ruhe geben. Denn paradoxerweise ist es denen scheißegal, ob so ein Video mit eben so einem "bösen Inhalt" auf einen Account geladen wird, auf dem es nur 1-2 Videos gibt. Hat man aber die magische Zahl 50 überschritten wirds knifflig. Dann ist man plötzlich tierisch interessant!

Sicher, ich könnte aufhören, copyright-geschütztes Material zu benutzen.... aber: Videos ohne Musik sind ziemlich unspaßig. Da könnte ich ja gleich aufhören, Videos zu basteln. Und nein, das will ich dann auch nicht. Könnte ich vorher wissen, welches Lied "böse" ist, super. Aber nein, das wird ja erst nach dem Stunden dauernden Upload und dem weiteren Stunden benötigenden Verarbeiten festgestellt. Und diese scheiß Audio-Swap-Funktion ist auch das letzte. Wenn das "böse" Lied irgendwo mitten im Video ist und es wiedermal nur ein paar Sekunden ausmacht, kann man das leider nicht so editieren. Nein, das ganze Video erhält dann einen neuen Ton. Wie ätzend ist das bitte?

Ich hasse YouTube. Was nicht heißt, dass ich dem Ganzen fernbleibe. Aber trotzdem. Ich wollte mich mal beschweren und Luft ablassen. Hab ich hiermit getan. Danke.